Bakterium verursacht Lungenentzündung bei Blaumeisen / Social Distancing für Vögel hilft gegen Seuche
Blaumeise, befallen vom Bakterikum „Suttonella ornithocola" Foto: Otto Schäfer
update vom 22.04.2020
Berlin - Seit Anfang März werden in Deutschland auffallend viele Blaumeisen beobachtet, die krank wirken und kurz darauf sterben. Jetzt ist der Erreger des Meisensterbens identifiziert: Es ist ein Bakterium namens Suttonella ornithocola, das bei den Vögeln eine Lungenentzündung verursacht.
„Suttonella ornithocola tötet fast ausschließlich Meisen, vor allem die kleinen Meisenarten, von denen die Blaumeise mit Abstand am häufigsten in deutschen Gärten vorkommt“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. „Vermutlich sind auch Tannenmeise, Hauben-, Sumpf- und Weidenmeise betroffen. Seltener erkranken die größeren Kohlmeisen.“
Bis zum 22. April wurden dem NABU innerhalb von nur zwölf Tagen 13.800 Fälle aus Deutschland gemeldet, die etwa 26.000 Vögel betreffen. Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) hat nun bei Meisen aus den Landkreisen Ammerland und Diepholz Suttonella ornithocola festgestellt. Fast gleichzeitig wurde aus dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe bekannt, dass bei vier untersuchten Blaumeisen aus dem Kreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen derselbe Erreger gefunden wurde. In allen Landkreisen, in denen das Bakterium bestätigt werden konnte, zeigt auch die Karte der beim NABU gemeldeten Verdachtsfälle eine erhöhte Melderate.
Das Bakterium ist erst seit 1996 bekannt. Damals wurde es in Großbritannien beschrieben und kommt dort flächendeckend regelmäßig vor, hat aber bisher nicht zu überregionalen Massensterben geführt. Erst 2017 wurde es erstmals außerhalb von Großbritannien nachgewiesen - in Finnland. Im April 2018 wurde Suttonella ornithocola erstmals in Deutschland bei mehreren Meisen bei kleineren Krankheitsausbrüchen im südlichen Nordrhein-Westfalen nachgewiesen. Miller: „Das massenhafte überregionale Auftreten in diesem Jahr ist für diesen Erreger neu. Außer Deutschland sind mindestens auch Luxemburg und Belgien betroffen.“
Der Erreger ist für Menschen und Haustiere ungefährlich. Da Vögel aber auch an anderen Krankheiten gestorben sein könnten und grundsätzlich oft mehrere Pathogene in sich tragen können, ist beim Umgang mit toten Vögeln immer mit Vorsicht vorzugehen.
Um Ausmaß, räumliche Verbreitung und Verlauf der Epidemie ermitteln zu können, ruft der NABU weiterhin dazu auf, Fälle von kranken oder offensichtlich an Krankheit verstorbenen Vögeln über sein Online-Formular unter www.NABU.de/meisensterben zu melden.
„In betroffenen Gärten müssen Anziehungspunkte wie Futter- und Badestellen umgehend beseitigt werden, damit Vögel sich weniger leicht gegenseitig anstecken können“, rät Miller. „Social Distancing hilft auch bei Vogel-Seuchen Ansteckungen zu reduzieren.“
Damit betroffene Vogelbestände sich möglichst schnell wieder erholen können, ist es wichtig, gute Bedingungen für die anstehende Brutzeit zu bieten. Ein naturnaher Garten bietet besonders viel Nahrung für die hungrigen Jungen. Tipps für einen vogelfreundlichen Garten hat der NABU unter www.nabu.de/vogelgarten zusammengestellt.
Wie stark die Meisenbestände von der für Deutschland neuen Vogelkrankheit beeinträchtigt wurden, werden die Ergebnisse der großen NABU-Gartenvogelzählung „Stunde der Gartenvögel“ vom 8. bis 10. Mai zeigen.
Kranke und tote Blaumeisen bitte dem NABU melden
Mysteriöses Blaumeisensterben in Deutschland
Kranke
Blaumeise
Foto: Alwin Neuer
Kreis Euskirchen - Seit einigen Wochen werden dem NABU immer wieder apathisch wirkende, oder bereits vermehrt, tote Blaumeisen gemeldet. Vereinzelt wurde darauf auch schon in der Presse und in Radio und Fernsehen hingewiesen.
Die Mysteriöse Krankheit scheint vor allem Blaumeisen, vereinzelt aber auch Kohlmeisen zu betreffen. Die erkrankten Vögel werden häufig in der Nähe von Futterstellen beobachtet, wie aufgeplustert und mit verklebten Augen und ausgefallenem Kopfgefieder kaum oder gar nicht mehr auf ihre Umgebung reagieren und auch nicht fliehen.
Untypisch ist der frühe Zeitpunkt und die Heftigkeit der Ausbreitung der Erkrankung. Die bisher Bekannten Ursachen für Erkrankungen bei Wildvögeln traten in der Regel erst im Sommer, bei höheren Temperaturen auf.
Es scheint sich um einen bisher unbekannten, für Blaumeisen hochinfektiösen Erreger zu handeln. Es gibt gewisse Symptome, die Ähnlichkeiten zu einer Erkrankung haben, die in den letzten Jahren in Großbritannien aufgetreten waren.
Es liegt jedoch nahe, dass diese Erkrankung der Blaumeisen besonders dort verbreitet werden, wo viele Vögel zusammenkommen. Deshalb achten Sie bitte auf gründliche Sauberkeit an den Futterstellen und stellen Sie die Fütterung ein, wenn Sie erkrankte oder tote Blaumeisen in der Nähe der Futterstellen finden. Bitte berühren Sie die erkrankten oder toten Vögel nicht direkt. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen zwar, dass wahrscheinlich keine Gefahr für den Menschen droht. Aber solange die Ursache nicht bekannt ist, rät der NABU die üblichen Sicherheitsmaßnahmen besonders zu beachten.
Reinigen Sie die Futtergeräte gründlich und desinfizieren Sie sie. Vernichten sie bitte das noch darin enthaltene Futter für Vögel unzugänglich. Gleiches gilt für Vogeltränken. Bitte machen Sie die Geräte für mindestens eine Woche für die Vögel unzugänglich. Wenn Sie erneut mit der Fütterung beginnen wollen, achten Sie bitte sehr genau darauf, dass sich keine krank wirkenden Vögel einfinden und stellen Sie die Fütterung ganz ein, falls das der Fall sein sollte.
Der NABU Euskirchen rät dazu, zur Zeit keine Vogeltränke mehr aufzustellen, wenn erkrankte oder tote Blaumeisen an den Futterstellen gefunden wurden.
Weitere Informationen finden Sie auch auf der Internetseite des NABU Euskirchen: www.nabu-euskirchen.de oder auf www.NABU.de/meisensterben.
Hier finden Sie auch aktualisierte Informationen, wenn es neue Erkenntnisse geben sollte.
Der NABU bittet darum, erkrankte oder tote Blaumeisen auf der Seite www.NABU.de/meisensterben
zu melden, damit ein genaueres Bild von der Ausbreitung der Krankheit ermittelt werden kann.