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Themenmonat Wald: Wald ist nicht gleich Wald

Wenn wir heutzutage umgangssprachlich von „Wald“ sprechen, tun wir dies in der Regel wenig differenziert – meist wird jede größere, von Bäumen bestandene Fläche als Wald (oder zumindest als Wäldchen) bezeichnet. Und tatsächlich, gemäß §2 des deutschen Bundeswaldgesetzes gilt als Wald „…jede mit Forstpflanzen bestockte Grünfläche.“ Wenn man jedoch genauer hinsieht - und insbesondere nach Natur- bzw. Artenschutzkriterien bewertet - wird schnell klar, dass zwischen einer mit Bäumen bestandenen Fläche und einem naturnahen Wald enorme Unterschiede bestehen.

 

Zunächst kann festgehalten werden, dass es hierzulande praktisch keine natürlichen „Urwälder“ mehr gibt, also Waldgebiete, die sich komplett ohne menschlichen Einfluss entwickelt haben. Somit handelt es sich in Deutschland nahezu ausnahmslos um bewirtschaftete Wälder (Forste), wobei der Grad der Bewirtschaftung und somit auch die Naturnähe sehr unterschiedlich ausfallen können. Historisch betrachtet hat sich sowohl die Definition von Forst als auch dessen Nutzung stark verändert: während im frühen Mittelalter noch ein allgemeines Nutzungsrecht bestand, stieg der Bedarf an Holz später enorm an, wodurch dieses zu einem gefragten Wirtschaftsgut wurde. Durch Forstordnungen regelte man, wer in welchem Zeitraum wie viel Holzschlagen durfte, wo Haustiere weiden konnten etc. Heute ist in der Vegetationskunde von Forsten die Rede, wenn standortfremde Baumarten (meist Nadelhölzer) künstlich gepflanzt und somit naturferne Bestockungen darstellen.[1]

 



[1] Quelle: Wikipedia, Artikel „Forst“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Forst#cite_note-Schmith%C3%BCsen-7; zuletzt geprüft am 25.09.2024).

 

Naturnahe Wälder in Deutschland sind meist Buchen- oder Buchenmischwälder. Diese bieten zahlreichen Tierarten einen idealen Lebensraum. Foto: Silke Mora, NABU Euskirchen
Naturnahe Wälder in Deutschland sind meist Buchen- oder Buchenmischwälder. Diese bieten zahlreichen Tierarten einen idealen Lebensraum. Foto: Silke Mora, NABU Euskirchen

Ein natürlich gewachsener Wald besteht in Mitteleuropa niemals aus reinen Nadelgehölzen (Ausnahme: Gebirgswälder) sondern stets aus sommergrünen Laub- und Mischwäldern. In feuchteren Bereichen kommen außerdem artenreiche Au- und Bruchwälder vor. Urwaldähnliche Wälder finden sich in Deutschland unter anderem noch im Nationalpark Bayerischer Wald, im Nationalpark Harz sowie im Thüringer Wald. Auch im 2004 begründeten Nationalpark Nordeifel, dem bislang einzigen Schutzgebiet dieser Art in NRW, darf sich der Wald seitdem wieder unter naturnahen Gesichtspunkten entwickeln.

In der Nutzung wird heute zwischen naturnahen und naturfernen Wirtschaftswäldern sowie Plantagen unterschieden. Während naturnahe Wirtschaftswälder aus heimischen Baumarten bestehen, deren Zusammensetzung der natürlichen zumindest ähnlich ist, bestehen naturferne Wirtschaftswälder aus nicht-heimischen Bäumen, die oftmals an ihre Standorte nur unzureichend angepasst sind. In Deutschland sind dies oftmals Kiefer-Fichten Mischwälder oder auch Mischwälder unter Beteiligung der Lärche. Die naturfernsten Waldsysteme stellen Plantagenwälder dar, die normalerweise aus nur einer Baumart bestehen und somit eine Übergangsform zur Landwirtschaft sind. Solche Wälder zeichnen sich durch eine intensive Bodennutzung sowie den regelmäßigen Einsatz von Düngern und Pestiziden aus.[1]



[1] Häufig wird das Pflanzenmaterial durch Züchtungen verbessert und auch genetisch veränderte Organismen kommen zum Einsatz. Solche Praktiken werden in Mitteleuropa allerdings bisher nur selten angewendet. Quelle: Wikipedia, Artikel „Wald“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Wald#Urw%C3%A4lder_Europas; zuletzt geprüft am 25.09.2024).

 

Nach wie vor bestehen viele Waldflächen in der Eifel aus reinen Fichten-Monokulturen. Diese sind anfällig für Dürre und Schädlingsbefall. Foto: Marion Zöller, NABU Euskirchen
Nach wie vor bestehen viele Waldflächen in der Eifel aus reinen Fichten-Monokulturen. Diese sind anfällig für Dürre und Schädlingsbefall. Foto: Marion Zöller, NABU Euskirchen

Für die Artenvielfalt im Lebensraum Wald ist der Grad der Nutzung von entscheidender Bedeutung. Während Urwälder sowie in vielen Fällen auch naturnahe Wirtschaftswälder mit einer immensen Artenfülle aufwarten können (tropische Urwälder gelten sogar als die artenreichsten Lebensräume unseres Planeten), ist die Anzahl an Individuen und Arten in naturfernen Wäldern verschwindend gering. Genau wie bei anderen Agrar-Monokulturen geht der ökologische Wert reiner Plantagenwälder gegen Null und jeder, der einmal in reinen Nadelgehölzen einen Waldspaziergang macht, kann sich davon überzeugen, dass dort in Sachen Biodiversität nicht viel los ist.

 

Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, bemüht sich der NABU Euskirchen stets darum, Waldflächen für den Naturschutz zu sichern, um zumindest Teilen unserer heimischen Wälder eine naturnahe Entwicklung zu ermöglichen.

 

 

Text: Dr. Marco Mora