Herbstlichen Sammelplätze der Rotmilane im Wildenburger Ländchen

in der Gemeinde Hellenthal und dem angrenzenden Höhenrücken des Dahlemer und Hellenthaler Waldes in den Jahren 2016 - 2018

Die Einordnung eines Greifvogelpopulationsgebietes als Schwerpunktgebiet einer europäisch geschützten Vogelart, wie es der Rotmilan ist, ist für den vorbeugenden Artenschutz bei raumbedeutsamen Bauprojekten mit Gefährdungspotentialen wie Störung der Jungenaufzucht oder Verletzungs- bzw. Tötungsrisiken nicht unerheblich. Sie kann bereits in der Planungsphase wesentlich dazu beitragen, den möglichen Standort hinsichtlich seiner Umweltverträglichkeit besonders sorgfältig zu untersuchen und eventuell besser geeignete Standorte zu präferieren.

 

Der NABU Kreis-Euskirchen e.V. in NRW setzt sich dafür ein, Brut- und Sammelplätze zu erfassen, zu dokumentieren und die entsprechenden Landesbehörden über diese Gebiete zu informieren, damit sie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können, die Kerngebiete und Schwerpunktvorkommen einzelner Vogelarten zu erweitern oder gegebenenfalls neu auszuweisen.

 

So ist auch das Wildenburger Ländchen in der Gemeinde Hellenthal in der Eifel mit seinem südlich angrenzenden bewaldeten Höhenrücken des Hellenthaler und Dahlemer Waldes, als Teil des Europäischen Biotopverbundes, welcher sich hier von der belgischen Grenze bis hin zum Müreler Wald nördlich von Blankenheim/Ahr erstreckt, für den Rotmilan ein einzigartiges Brut- und Nahrungshabitat.

 

Die seit zwei Jahrzehnten vorherrschende Landnutzung mit extensiver Wiesen- und Weidenbewirtschaftung und eine genügend große Anzahl an geeigneten Brutgehölzen im Dahlemer und Hellenthaler Wald hat zu einer stabilen Population der Rotmilane geführt, die zahlreich und jährlich wiederkehrend von Ende Februar bis Anfang März ihre Horste und Brutreviere besetzen.

 

Das Wildenburger Ländchen und der Höhenrücken des Waldgürtels liegen in einer besonders ausgeprägten thermischen Konvektionszone, die auch die geomorphologische Begründung dafür liefert, warum die Großsegler diesen Raum bevorzugt aufsuchen.

 

Die günstigen Thermikverhältnisse über dem bewaldeten Höhenrücken und beständige Aufwinde über den Hanglagen der extensiven Heuwiesen, Borstgraswiesen und den historischen Ackerterrassen des Wildenburger Ländchens bilden die essentiellen Voraussetzungen für einen optimalen Lebensraum der Rotmilane, vgl. hierzu Abb.1.

Abb.1: Nahrungshabitate der Rotmilane: Die Historische Ackerterrassen im Wildenburger            Ländchen der Gemeinde Hellenthal (Bildnachweis: Rapp-Lange)

 

Diese aufgrund der vorhandenen ausgeprägten thermischen Konvektionszone vorliegenden geomorphologischen Besonderheiten des Wildenburger Höhenrückens nutzen die Rotmilane als leidenschaftliche Segelflieger mit ihren langen Handschwingen und ihrem leichten Körperbau bis zur Perfektion, um ihre ausgedehnten Suchflüge zur Nahrungssuche zu zelebrieren.

 

Das Aufsteigen aus den Brutgehölzen der oft steilen Waldhänge des thermisch begünstigten Höhenrückens in große Höhen gestaltet sich somit für die Rotmilane energiesparend und erleichtert ihnen ihr anschließendes Abgleiten in die tieferliegenden Nahrungshabitate der Hanglagen des Offenlandes.

 

In den Monaten April bis Mitte Mai (niedriger Wiesenstand) und nach der Mahd ab Ende Juni nutzt der Rotmilan das Offenland als Jagdgebiet. Die zu unterschiedlichen Zeiten verteilte Mahd der artenreichen Heuwiesen und die durch die Beweidung der großen Schafherden dauerhaft kurzen Borstgraswiesen des FFH-Gebietes Manscheider Bachtal/Paulushof bieten ihm insbesondere in den fortgeschrittenen Phasen der Jungenaufzucht ein ausreichendes Nahrungsangebot mit einer intakten Kleinsäugerpopulation, vgl. hierzu Abb.2.

  Abb.2:  Rotmilan im Wildenburger Ländchen bei der großen Schafherde (Bildnachweis: Rapp-Lange)

In der Zeit von Mitte Mai bis Ende Juni, in der die Wiesen des Offenlandes weitgehend hochstehen, nutzt der Rotmilan verstärkt die vielen Lichtungen, Wildkirrungen, Bruchwälder und freistehenden Bachtäler in den Waldgebieten des Wildenburger Höhenrückens zur Jagd, vgl. hierzu Abb.3.

Das Offenland und der Waldgürtel bilden hier eine einzigartige Vernetzung von Fortpflanzungs- und Nahrungshabitaten.

Abb.3: Rotmilan im Suchflug im lichten Wald der Borstgraswiese des FFH-Gebietes Manscheider Bachtal / Paulushof (Bildnachweis: Rapp-Lange)

Traditionell versammeln sich die Rotmilane vor ihrem Zug in die wärmeren Überwinterungsgebiete der Iberischen Halbinsel und bilden nachbrutzeitliche Schlafplatzgesellschaften. Bereits Ende der Brutsaison (Juli/August) treffen die Jung- und Altvögel an Plätzen ein, die auch im Spätsommer noch ein günstiges Nahrungsangebot bieten. Diese Sammelplätze werden von Nichtbrütern bereits frühzeitig im Jahr aufgesucht.

 

Jetzt aktuell im Herbst 2018 konnten zwischen Anfang August und Mitte Oktober erneut bis zu 30 Rotmilane nördlich der St. Antonius Kirche in Hellenthal Kreuzberg am südlichen Rand der historischen Ackerterrassen des Wildenburger Ländchens erfasst und dokumentiert werden. Seit Anfang August sammelten sich die Rotmilane in den zahlreichen Waldinseln und bildeten eine immer größer werdende Schlafgesellschaft. Eine Waldinsel aus alten Eichenbäumen bildete den Sammelschwerpunkt. Ein naheliegendes Pappelwäldchen und ein Fichtenwäldchen wurden ebenfalls häufig von den Rotmilanen angeflogen, vgl. hierzu Abb.4.

Abb.4: Rotmilane auf den Schlafbäumen am Fichtenwald (Bildnachweis: Rapp-Lange)

Die größte Anzahl der Rotmilane konnte im Tagesverlauf in den frühen Morgenstunden beim Auffliegen und in den nachmittäglichen Stunden beim Einfliegen gegen 15.00 bis 19.00 Uhr erfasst werden. Bei trockener ruhiger Witterung flogen die Vögel nach einer Verweildauer in den Schlafbäumen erneut auf und segelten im Suchflug über die nahen Wiesen. Sie boten dem Auge des Betrachters eine vielseitige und ausdauernde Flugschau an Synchronflügen, spielerischem Balgen in der Luft und Absturzflügen nahe der Schlafbäume.

 

Die Altvögel der Rotmilangesellschaft nutzten diese Zeit zur Mauserung ihrer Großgefieder. Sie versammelten sich im Inneren des Wäldchens und verbrachten die Zeit mit ausgiebiger Gefiederpflege. Zahlreiche Mauserfedern u.a. auch die großen Handschwingen und Schwanzfedern wurden in Abwesenheit der Rotmilane zu einem späteren Zeitpunkt unter den Schlafbäumen und im direkten Umfeld dokumentiert.

 

Die Rotmilane reagieren an ihren Schlafplätzen sehr empfindlich auf menschliche Störungen. Bereits sehr frühzeitig erfassen sie die Menschen und beobachten den Eindringling. Bei Annäherung, streichen die Rotmilane lautlos ab und segeln in eine naheliegende Baumgruppe, um aus einiger Entfernung die Lage zu beobachten. Die geringe anthropogene Besiedlungsdichte im Wildenburger Ländchen bietet den Rotmilanen den nötigen Raum, um solche traditionellen Schlafgesellschaften entstehen zu lassen. Tagsüber entfernen sich die Rotmilane über weite Strecken von ihren Schlafplätzen. Einflüge von Benenberg (ca. 2 km Entfernung), vom Dahlemer Wald (ca. 3 km Entfernung) und von Hecken/Paulushof (ca. 3 km Entfernung) wurden beobachtet.

 

Die Zahl der erfassten Rotmilane ist lediglich eine Schätzung. Häufig konnten nicht alle fliegenden Rotmilane gezählt werden und weitere Rotmilane saßen bereits in den Schlafbäumen. Anhand der Bildaufnahmen konnten jedoch bis zu 26 Rotmilane auf einmal fotografiert werden, vgl. hierzu Abb.5.

  Abb.5:  Rotmilangesellschaft über dem Wildenburger Ländchen und der Wildenburg in Hellenthal (Bildnachweis: Rapp-Lange)

 

Auch in den Jahren 2016 und 2017 versammelten sich die Rotmilane im Wildenburger Ländchen. In diesen Jahren befanden sich die Schlaf- und Ruhebäume im Bereich der Borstgrasfläche des FFH-Gebietes Manscheider Bachtal / Paulushof südlich und östlich von Kreuzberg. Im Jahr 2016 konnten die ruhenden Tiere auf den Einzelbäumen innerhalb der Borstgrasfläche südlich von Hellenthal-Kreuzberg und dem Tannenwald an der Hohlbachquelle beobachtet werden. 2017 verlagerte sich der Sichtungsschwerpunkt in die nördlichen Randbereiche der Borstgrasfläche und den Laubwald nördlich des Hohlbaches.

Flye Red Kite Flye

 

Der Rotmilan gehört in Deutschland zu den Verantwortungsarten. Die Hälfte des Weltbestandes brütet in Deutschland. Der Rotmilan gilt als streng geschützte Art und ist in NRW als gefährdet eingestuft. Der Erhaltungszustand wird weiterhin als ungünstig bis schlecht bewertet.

 

Die Datenbasis über die lokale Population der Rotmilane im Kreis Euskirchen ist lückenhaft. Eine flächendeckende Untersuchung liegt bislang weder für die Brutplätze noch für die herbstlichen Sammelplätze der Art vor.

 

Die Sammelplätze der Rotmilane außerhalb der Brutzeit zu erfassen und zu registrieren und die Ausweisung der Schwerpunktgebiete regelmäßig zu überprüfen und zu ergänzen gehört zum effektiven Artenschutz.

 

Im sozialen Gefüge der Rotmilane sind die Schlafplatzgesellschaften ein essentieller Bestandteil, deren Schutz von prioritärer Bedeutung für die Erhaltung der Art ist.

 

Pascher-Bull, Elke / Rapp-Lange, Claudia (11.2018): Rotmilanpopulation und herbstliche Schlafgesellschaften im Wildenburger Ländchen in der Gemeinde Hellenthal und dem angrenzenden Höhenrücken des Dahlemer und Hellenthaler Waldes in den Jahren 2016 - 2018 (Bildnachweise: Rapp-Lange)